Ergebnisse einer Podiumsdiskussion am DKG 2019 in Kiel

Warum wir Tourismusgeographie brauchen – ein Plädoyer (2020)

Marius Mayer (Innsbruck), Nadine Scharfenort (Trier); Foto: Ina Voshage

Der Beitrag wurde erstmals im Rundbrief Geographie 285 (Juli 2020, S. 21-27) veröffentlicht.

Bekanntlich stellt der VGDH seit dem Spätsommer 2019 vom analogen „Wer ist wo?“ auf die webbasierte Plattform Geographie.online um. Auch die VerfasserInnen dieses Beitrags folgten der Erinnerungsmail des GEO-Büros Anfang Januar 2020 mit der Aufforderung, ihr Profil zu vervollständigen. Leider fand sich in der langen Auswahlliste bei „Expert*in für“ kein Stichwort, das die Begriffe „Tourismus“ oder „Freizeit“ in irgendeiner Wortkombination enthielt – lediglich in der Rubrik „thematische Arbeitsbereiche“ bestand die Möglichkeit, „Tourismusforschung“ und „Geographische Tourismusforschung“ zu benennen. Schließlich scheiterte die Angabe der „Mitgliedschaft in Arbeitskreisen“ daran, dass der AK Tourismusforschung in der DGfG e.V. (AKTF) (zunächst) nicht gelistet war…

Die Reaktionen, welche die VerfasserInnen häufig erlebt haben, wenn sie unter KollegInnen, bei Vorstellungsgesprächen für Positionen oder bei Fachvorträgen ihre tourismusgeographischen Forschungsaktivitäten erwähnten, spiegelten sich nun auch in der Erfahrung, diese nicht einmal in der Datenbank der eigenen „Innung“ deklarieren zu können. Nicht zuletzt machte sich die Sorge breit, wie es überhaupt mit der Zukunft dieser Forschungsrichtung innerhalb der deutschsprachigen Mutterdisziplin aussieht, wenn selbst der VDGH die Tourismusgeographie als obsolet einstuft. Oder gibt es gar keine Zukunft für die Tourismusgeographie, wie immer mal wieder von FachkollegInnen postuliert?

Genau diesem Dilemma der disziplininternen Rezeption und Zukunft tourismusgeographischer Forschung widmete sich eine von den VerfasserInnen für den DKG 2019 in Kiel initiierte und moderierte Podiumsdiskussion –– mit dem Titel „Quo vadis Tourismusgeographie? – Theorien, Konzepte und empirische Befunde zum Stand einer Disziplin, die 1969 noch nicht existierte“. Eröffnet wurde das Podium mit einem Impuls-Beitrag durch Hans Hopfinger (Eichstätt), der als langjähriger Sprecher des AK Tourismusforschung die Entwicklung der tourismusgeographischen Forschung im deutschsprachigen Raum Revue passieren ließ. Es diskutierten anschließend Werner Gamerith (Passau, Präsident der DGfG), Werner Gronau (Stralsund, Perspektive der Fachhochschulen), Marion Karl (Brisbane/München, Vertreterin des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie einer internationalen Perspektive), Frauke Kraas (Köln, Außenperspektive auf Tourismusgeographie) sowie Dieter K. Müller (Umeå, Vorsitzender der IGU Commission on Tourism, Leisure and Global Change, internationale Perspektive).

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Deutscher Kongress Geographie Kiel 2019

2019 werden es 50 Jahre her sein, dass sich in der Geographie beim berühmt-berüchtigten Geographentag in Kiel 1969 eine veritable wissenschaftliche Revolution ereignet hat! Das Fach Geographie hat sich seitdem gewaltig verändert — auch die Tourismusgeographie, die es 1969 als institutionalisierte Teildisziplin im Mutterfach noch gar nicht gegeben hat!

Nun fand 50 Jahre nach diesem denkwürdigen Geographentag der Deutsche Kongress Geographie vom 25.-30. September 2019 erneut in Kiel statt: Das Kongressmotto „Umbrüche und Aufbrüche. Geographie(n) der Zukunft“ nimmt Bezug zu 1969, will aber mehr noch in die Zukunft weisen.

Der AK-Tourismusforschung war mit zwei Veranstaltungen am Kongress beteiligt:

Fachsitzung: Overtourism! Ende des Tourismus, Ende der Tourismusgeographie?Overtourism! Ende des Tourismus, Ende der Tourismusgeographie? (Teil 1)

Sonntag, 29. September 2019,  08:30-10.00 Uhr, Raum: LMS6 – HS-PC

Moderation: Nadine Scharfenort & Hans Hopfinger

Beiträge in dieser Fachsitzung:

  1. Overtourismus-Effekte: Entstehungskontexte und Handlungsoptionen (Andreas Kagermeier / Eva Erdmenger)
  2. Ist der Städtetourismus noch zu retten? Zur Bedeutung touristisch-urbaner Mußeräume (Clara Sofie Kramer)
  3. Tourismusakzeptanz in der Wohnbevölkerung – Messmethoden und Ergebnisse (Dirk Schmücker / Bente Grimm)
  4. Tourismusräume im digital-ökonomischen Wandel (Hans Albers / Felix Hartenstein)

Fachsitzung: Overtourism! Ende des Tourismus, Ende der Tourismusgeographie?Overtourism! Ende des Tourismus, Ende der Tourismusgeographie? (Teil 2)

Sonntag, 29. September 2019, 10:30-12.00 Uhr, Raum: LMS6 – HS-PC

Moderation: Nadine Scharfenort & Hans Hopfinger

Beiträge in dieser Fachsitzung:

  1. Aneignungs- und Widerstandsstrategien in der Tourismusstadt Luzern: Ambivalenz des rasanten touristischen Wachstums in geo-historischer Perspektive (Florian Eggli / Mathis Stock)
  2. Overtourism und Kreuzfahrten – Fallstudien zur Nachhaltigkeitsbilanzierung in Kreuzfahrtdestinationen (Rainer Hartmann / Bernd Stecker)
  3. Management heiliger Stätten: Balinesische Tempel als touristische Attraktion (Stefan Küblböck)
  4. Overtourism! Das prekäre Verhältnis von boomendem Tourismus, instabilen Identitäten und ökonomischer Notwendigkeiten in der kubanischen Transformation (Niklas Völkening)

Podiumsdiskussion: „Quo vadis Tourismusgeographie? – Theorien, Konzepte und empirische Befunde zum Stand einer Disziplin, die 1969 noch nicht existierte“

Sonntag, 29.09.2019, 14:15-15:45 Uhr, Raum JMS2-HS-K

Leitung & Moderation: Marius Mayer (Greifswald), Nadine Scharfenort (Berlin/Muscat)

Podiumsdiskutantinnen (alphabetische Reihenfolge):

  1. Prof. Dr. Werner Gamerith (Universität Passau)
  2. Prof. Dr. Hans Hopfinger (KU Eichstätt/Ingolstadt)
  3. Dr. Marion Karl (University of Queensland, Brisbane/LMU München)
  4. Prof. Dr. Frauke Kraas (Universität Köln)
  5. Prof. Dr. Dieter Müller (Umeå Universitet, Schweden)
  6. Prof. Dr. Julia Peters (Hochschule Kempten)

Die Tourismusgeographie ist Element mehrerer Paradoxien: Während die globalen Reiseströme und deren Auswirkungen (z. B. Touristifizierung, Kapazitätsüberschreitungen) neue Höhepunkte erreichen, nimmt die Bedeutung innerhalb der deutschsprachigen Geographie gemessen an Professuren und Studiengängen ab, und die akademische Ausbildung verlagert sich auf die Fachhochschulen. Diese Entwicklung ist aus Arbeitsmarktperspektive nachvollziehbar, schwächt aber mangels Forschungsauftrages und entsprechender Ressourcen an den FHs die Disziplin als Ganzes. Obwohl auch international eine schwache Stellung der Tourismusgeographie innerhalb der Mutterdisziplin beklagt wird, hat die geographische Perspektive hingegen innerhalb der Tourismusforschung große Bedeutung erlangt. Auch wenn die Tourismusgeographie bisweilen als „theorielos“ und „wenig innovativ“ abgetan wird, fungierte sie z.B. als Vorreiterin in der Nachhaltigkeitsforschung. Auch die von der Wirtschaftsgeographie verstärkt aufgegriffene evolutionäre Perspektive ist der Tourismusgeographie lange vertraut (z. B. Destinationslebenszyklus-Modell).

Das Forschungsfeld Tourismus und Freizeit leistet als Querschnittsfach einen wesentlichen Beitrag zur akademischen Disziplin Geographie, weist internationale Fachzeitschriften mit hohen Impact-Faktoren auf, sorgt für öffentliche Aufmerksamkeit, rekrutiert Studierende, stellt ein wesentliches Berufsfeld für Absolventen dar und ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil der Geographie, den es für die Zukunft zu erhalten und zu stärken gilt – gerade wenn man sich einer kritischen Perspektive verpflichtet fühlt und sich Fragen der ökologischen, sozialen und interkulturellen Dimension des Phänomens Tourismus, Raum- und Machtkonstruktionen, sowie raumbezogenen Diskursen widmet.

Die Podiumsdiskussion zielte darauf ab, diese Entwicklung kritisch Revue passieren zu lassen, die Binnen- und Außenansicht der Disziplin durch etablierte und jüngere ForscherInnen sowie aus internationaler Warte zu reflektieren und künftige Forschungs- und Lehrperspektiven aufzuzeigen.

25. DAVO-Kongress 2018 in Frankfurt/Main

Zwischen dem 4. und 6. Oktober 2018 fand in Frankfurt/Main der 25. internationale DAVO-Kongress statt, bei dem der AKTF mit einem Panel unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Hopfinger und Prof. Dr. Nadine Scharfenort präsent war. Die Beiträge über Tourismusentwicklungen innerhalb und außerhalb der arabischen Welt befassten sich mit Fallbeispielen des jüdischen Tourismus in Marokko (Sophie Wagenhofer, Berlin), dem Royal Opera House in Muscat (Ulrike Stohrer, Bonn) sowie des GCC-Outbound Tourismus nach Mitteleuropa und in den Alpenraum (Nadine Scharfenort, Berlin) und reflektierten den intraregionalen Tourismus aus der Perspektive von iranischen und GCC-Reisenden (Ala Al-Hamarneh, Mainz).

5. Weltkongress für Nahoststudien (WOCMES) in Sevilla 2018

Zwischen dem 16. und 20. Juli 2018 fand der 5. Weltkongress für Nahoststudien (WOCMES) in Sevilla statt. Auch der AK Tourismusforschung war bei der interdisziplinären Veranstaltung präsent.

Während eines Panels unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Hopfinger und Prof. Dr. Nadine Scharfenort wurden wurden aktuelle Entwicklungen des Tourismus mit regionalem Fokus auf Saudi-Arabien und Bahrain sowie das Thema Islamophobie diskutiert. Eingeladene Vortragende waren Sebastian Sons (Berlin), Suha Babikir Kmalawi Hasan (Stockholm) sowie Heba Aziz, die per Video aus Muscat zugeschaltet war.

Sebastian Sons (Berlin): “Saudia Arabia´s tourism sector and the Vision 2030”: Chances and challenges for diversification and liberalization
Heba Aziz (Muscat): Communicating Islam: The Role of Culture Tourism in Adressing Islamophobia
Suha Babikir Kamalawi Hasan (Stockholm): Spatial Transcripts of Culture, Capital and Community in Bahrain